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 December 2009 - Nr. 12

Merry Christmas and the best of Seasons from Echo Germanica

Es wird geheimnisvoll in den Wochen vor Weihnachten, besonders nachdem der Adventskranz das erste Mal auf dem Tisch stand und die erste Kerze ihren Schein zaghaft über den gedeckten Kaffeetisch verstreute. Die Zeit der Erwartung hat angefangen, und wir hängen Kindheitserinnerungen nach.

Wie anders unser Leben war! Damals saß die Familie regelmäßig zusammen und erzählte Geschichten, während emsig gebastelt, gebacken, genäht, gestrickt, gestickt und gehäkelt wurde. Die Großen tranken Glühwein oder Grog, die Kinder hatten ihren heißen Kakao. Die Topflappen für Oma wollten einfach nicht gelingen. Die bemalte Spanschachtel für die beste Freundin wollte nicht trocken; dabei musste sie doch noch lackiert werden!

Mutti hörte das Weihnachtsgedicht ab, das auswendig gelernt werden musste, und dabei verbrannten dann die ersten Plätzchen im Ofen ein wenig. Das war gut, denn sie durften gleich gegessen werden. Die anderen kamen in Blechbüchsen für den nächsten Sonntag und Weihnachten. Vati schrie nebenan, weil er sich beim Basteln (war es die Puppenstube?) mit dem Hammer auf den Finger gehauen hatte.

Am schönsten aber waren die Geheimnisse, die man hatte. Mit Mutti wurde besprochen, was man von dem sauer ersparten kleinen Taschengeld dem Vati schenken konnte. Es reichte hinten und vorne nicht. Es sollte doch nicht schon wieder ein Schlips sein.

„Schenke ihm doch die schönen warmen Hausschuhe, die er neulich beim Spazierengehen so bewundert hat. Ich gebe dir was dazu." Das war eine gute Lösung. Da konnte ich noch zwei kleine Marzipan-Brote reinstecken. Die aß er doch so gerne!

Mit Vati wurde natürlich besprochen, was Mutti bekommen sollte. Eine in der Schule gestickte Decke musste noch hinten versäubert werden; aber sie sollte doch noch was Besonderes haben.

„Wie wäre es mit ihrem Lieblingsparfum? Ich gebe dir was dazu," sagte Vati. Prima! Das Problem war auch gelöst. „Aber du musst mir noch ein paar Tannenzapfen sammeln. Die vergolden wir dann nächstes Wochenende zusammen..." Wenn das alles war...„und mein Geschenk für Mutti musst du auch einpacken, das kannst du besser", sagte Vati. Klar doch, wird gemacht.

Mutti wurde bedrängt: „Kriege ich den schönen Nähkorb, den mit dem rosa Satin innen drin?"

„Vielleicht, wenn du schön lieb bleibst, wenn nicht, dann eben nicht." Als ob ich vorhatte, frech zu sein! So was passierte doch nur so, einfach ohne Vorwarnung, ich weiß auch nicht wie, und immer nur, wenn ich von der Schule zu spät nach Hause kam. Da gab ich manchmal Widerworte. Die anderen Kinder durften ja auch hinterher noch Eis essen gehen, nur ich nicht. Außerdem hatte ich ja noch keine Uhr. Wie sollte ich denn wissen, wie spät es war. Ich wusste ja, dass Mutti den Korb schon gekauft hatte, denn er stand nicht mehr im Fenster, wo wir ihn gesehen hatten. Die anderen Mädchen in meiner Klasse hatten schon längst so einen Korb, nur ich lief immer noch mit diesem dämlichen Stoffbeutel rum. „Du musst nicht etwas haben, bloß weil jemand anderes es hat", hatte Mutti auf meine Argumente geantwortet. „Der Beutel erfüllt seinen Zweck genauso gut."

Ich weiß noch, wie ich innerlich gegrollt habe. Und dann passierte es, das ich mal wieder viel zu spät zum Mittagessen ankam und versuchte mich mit dummen Ausreden zu retten. Ich musste meinen Eintopf so lauwarm essen, wie er war, und Mutti schaute mich ganz traurig an. „Das du nicht lernen kannst pünktlich zu sein, auch ohne Uhr. Du bist alt genug nach der Zeit zu fragen, und es gibt auch etliche öffentliche Uhren, wo du die Zeit ablesen kannst." Sie hatte ja recht, aber ich wollte es nicht zugeben.

„Ich glaube, der Nähkorb wird bis zu Deinem Geburtstag warten", sagte Mutti dann noch. Es verschlug mir fast die Sprache, aber ich murmelte vor mich hin: „Ich kriege ihn ja doch!"

Mutti hat es wohl gehört und war gar nicht mehr traurig, sondern ordentlich verärgert. „Wir werden sehen" war ihre kurze Antwort.

Von da an versuchte ich immer pünktlich zu sein, aber es gelang mir einfach nicht.

Am Heiligen Abend ging alles wie geplant. Nachdem wir gegessen hatten, verschwand erst Vati im Wohnzimmer, dann Mutti. Als ich eine kleine Glocke silberhell klingeln hörte, durfte ich auch kommen. Der Tannenbaum, den Vati am Nachmittag geschmückt hatte, stand auf einem Tisch und erstrahlte das Zimmer taghell. Darunter stand die Krippe und um sie herum lagen kleine hübsche Päckchen. Auf dem Boden war ein riesiges Paket, das sehr unregelmäßig aussah. Vati stimmte das erste Weihnachtslied an. Dreistimmig sangen wir „O Tannenbaum". Das sangen wir immer zuerst. Vati und Mutti sangen auch einige Lieder alleine, und ich hörte nur zu. Es waren Lieder aus ihrer Heimat Pommern und Ostpreußen, die man am Niederrhein nicht kannte. Ich hatte sie noch nicht alle gelernt. Da war auch ein Lied, was wir in verteilten Rollen sangen. Vati sang die Rolle des Josef, Mutti sang Maria, und ich alles zwischendrin.

Das letzte Lied war immer „Stille Nacht, heilige Nacht". Dann las Vati die Weihnachtsgeschichte vor und ich musste noch ein Gedicht aufsagen. Erst dann durften die Geschenke ausgepackt werden.

Ich suchte nach meinem Nähkorb, aber jedes Päckchen, das ich auspackte, hatte etwas anderes als das Erwünschte drin. Das von Vati gebaute Puppenhaus war wirklich sehr schön. Und die Rollschuhe, die ich so dringend haben wollte, waren auch herrlich. Der neue Schulatlas begeisterte mich; aber mein Nähkorb fehlte. Mutti sah wie ich danach suchte, aber nichts sagte. Sie nahm mich in den Arm und sagte: „Du weißt, dass ich meine Versprechungen immer halte. Ich erwarte das gleiche von dir. Der Nähkorb muss bis zu deinem Geburtstag warten. Verstehst du das?"

Ja, ich verstand es, war aber trotzdem enttäuscht. Mutti schob mir den bunten Teller zu: „ Sieh mal, da ist dein Lieblingsgebäck drauf und eine ganz tolle Schokolade mit viel Nüssen; die magst du doch so gerne." Getröstet schob ich mir ein Plätzchen in den Mund und setzte mich zu Vati auf den Schoß, der seine neuen Puschen bewunderte. Mutti probierte ihr Parfum und legte sich die Ohrringe mit der Kette an, die Vati ihr geschenkt hatte. Wir machten das Radio an und hörten der Weihnachtsmusik zu, während wir zusahen, wie die Kerzen am Baum langsam abbrannten.

„Hast du dir schon eine ausgesucht?" fragte Vati mich. Schnell sagte ich, welches meine sein sollte. Dann entschieden sich Vati und Mutti. „Mal sehen wessen Kerze am längsten brennt. Mach einen Wunsch. Wenn es deine Kerze ist, dann geht er gewiss in Erfüllung."

Ich wünschte mir, dass ich von nun an pünktlich sein könnte, damit ich zu meinem Geburtstag den schönen Nähkorb bekommen würde.

Meine Kerze brannte am längsten! Und ich bekam den Nähkorb zu meinem Geburtstag im April!

 

 
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